Wozu noch Theologie?
Theologie und Glaube
Jahrgang 112
Ausgabe 3/2022
Mit Beiträgen von Thomas Ruster, Julia Knop, Hans-Joachim Höhn, Aaron Langenfeld, Martin Dürnberger, Stefan Kopp und Peter Schallenberg.
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!
Der Dortmunder Systematiker Thomas Ruster hat in seiner Abschiedsvorlesung die kontroverse Frage gestellt: „Wozu noch Theologie?“ Braucht die säkulare, von Glaubenserosion gekennzeichnete Gesellschaft heute noch eine Wissenschaft, die nachdenkt über Gott als Schöpfer der Welt, der in seinem Sohn Jesus Christus Fleisch angenommen hat und die Menschen in seiner Nachfolge im Geist zu sich führen will? Welche theologische Bilanz gilt es in Bezug auf diese Frage heute zu ziehen?
Thomas Ruster rekonstruiert in seinem Vortrag die Lehre des Thomas von Aquin zur Notwendigkeit der Theologie als heilsvermittelnder Wissenschaft und argumentiert, dass dessen Ansatz aus heutiger Sicht teilweise als Wahrheitsfundamentalismus zurückgewiesen werden müsse. Rusters Thesen werden in diesem Heft von Theologie und Glaube von vier Kurzrepliken kritisch beurteilt. Im Gegensatz zu einer Theologie des Herrschaftswissens skizziert die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop in Anlehnung an Ruster eine angemessene Theologie des 21. Jahrhunderts, die sich von unreflektierten Wahrheitsansprüchen distanziert. Der Kölner Systematiker Hans-Joachim Höhn setzt sich kritisch mit Rusters These auseinander, Theologie könne im sozio-kulturellen Kontext keine Bedeutung mehr nach außen produzieren, sondern diene heute hauptsächlich der Selbstbeobachtung. Im Anschluss daran zeigt Aaron Langenfeld, Fundamentaltheologe an der Theologischen Fakultät Paderborn, Desiderate in Rusters Argumentation auf und kritisiert die von Ruster geforderte Integration der Theologie in die Evolutionstheorie. Der Systematiker Martin Dürnberger von der Paris-Lodron-Universität Salzburg stellt Anfragen an die Interpretation der thomanischen Thesen durch Ruster und zeigt Alternativen auf. Im Anschluss an die Diskussion zum Thema „Wozu noch Theologie?“ würdigt der Liturgiewissenschaftler Stefan Kopp das Wirken und Werk des Paderborner Kunsthistorikers Norbert Börste anlässlich dessen Ernennung zum Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät Paderborn. Peter Schallenberg erörtert in seinem Kommentar angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage, wann ein Krieg aus moraltheologischer Sicht gerechtfertigt sein kann.
Wir hoffen, dass das Heft interessante Denkanstöße zu den verschiedenen Facetten der Theologie gibt und eine weitere Diskussion eröffnen kann.
Svenja Wesemann
Redaktion