Als vor einigen Jahren die Rede von der „Rückkehr der Religion“ aufkam, war diese schon für längere Zeit wieder zu einem Thema der Philosophie geworden, vor allem in Frankreich und verbunden mit Namen wie Emmanuel Levinas, Paul Ricœur, Michel Henry, Jean-Luc Marion, u. a.. Diese sahen sich jedoch dem Vorwurf ausgesetzt, insgeheim eine „theologische Wende“ vollzogen und damit die Grenze zwischen den Disziplinen verletzt zu haben (Dominique Janicaud). Das vorliegende Buch nimmt diesen Vorwurf auf, entwickelt ihn jedoch zu einem Methodendiskurs weiter, welcher an die lange Tradition des Austausches zwischen Philosophie und Theologie anknüpft und einen Vorschlag zur erneuten interdisziplinären Zusammenarbeit unterbreitet. Dabei wird auch der Konfessionalität der Theologie(n) Rechnung getragen und im Gespräch mit den Hermeneutiken evangelischer und jüdischer Provenienz eine „katholische“ Hermeneutik des Leibes und der Stimme entwickelt. Dies geschieht im Kontext des Entwurfs einer „Philosophie der religiösen Erfahrung“, der sich explizit der Wahrnehmung stellt, dass viele Menschen in den westlichen Gesellschaften nicht glauben und darin auch kein Defizit sehen. Den Rubikon überschreiten kann daher als ein Dialogversuch in mehrfacher Hinsicht gelten: interdisziplinär (Theologie – Philosophie), ökumenisch, interreligiös, gesellschaftlich – und nicht zuletzt als ein Austausch französischen und deutschen Denkens über Religion in europäischer Perspektive.
Der am Institut Catholique de Paris (neben vielen Gastprofessuren, u. a. in USA, Australien, Italien und Deutschland [KU Eichstätt 2018]) lehrende französische Philosoph Emmanuel Falque (Jg. 1963) hat 2013 mit seinem Buch Passer le Rubicon eine Verhältnisbestimmung von Philosophie und Theologie vorgelegt, die international breit diskutiert wird. Davon zeugen die Übersetzungen ins Englische, Spanische und Italienische sowie eine beachtliche Zahl von Aufsätzen in Sammelbänden und Zeitschriften, die seinem Ansatz gewidmet sind. Mit der von Markus Kneer besorgten Übersetzung liegt das Werk nun auch auf Deutsch vor – mit dem Titel: Den Rubikon überschreiten. Philosophie und Theologie: Ein Versuch über ihre Grenzen (Münster: Aschendorff 2020). Emmanuel Falque hat für die deutsche Version ein eigenes Vorwort verfasst. Zudem stellt Markus Kneer der Übersetzung eine Einleitung voran, die sowohl in die Frage des Verhältnisses von Philosophie und Theologie im Allgemeinen als auch in die zeitgenössische Diskussionslage (vor allem in Frankreich) im Besonderen einführt. Darüber hinaus wird das bisherige Werk von Emmanuel Falque vorgestellt. Im Übersetzungstext sorgen viele zusätzliche Anmerkungen für eine bessere Durchdringung des Textes.
Der Übersetzer Markus Kneer war nach Studium und Erwerb des Diploms 1997 von 1998 bis 2001 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Dogmatik und Dogmengeschichte ad personam (Prof. Dr. Dr. Dieter Hattrup) und wurde 2002 von der Fakultät zum Doktor der Theologie promoviert. Z. Zt. arbeitet er im Pastoralen Raum Schwerte.
Emmanuel Falque: Den Rubikon überschreiten. Philosophie und Theologie: Ein Versuch über ihre Grenzen. Münster (2020): Aschendorff-Verlag, ISBN: 978-3-402-24659-7, 46 €.