In Zeiten, die von großer gesellschaftlicher Verunsicherung geprägt sind, geraten mitunter auch Gruppen unter Druck, die allgemein Anerkennung genießen. Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte sehen sich derzeit in unserem Land immer häufiger in der Kritik, die sich im Extremfall auch in psychischer und körperlicher Gewalt entlädt. Daher war es folgerichtig, dass der 40. Ärztetag im Erzbistum Paderborn jetzt das Thema „Resilienz im Arztberuf“ in den Mittelpunkt stellte. Der Einladung von Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz waren weit über 100 Medizinerinnen und Mediziner gefolgt.
Traditionell wird der Ärztetag im Erzbistum Paderborn in Kooperation mit der Akademie für medizinische Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) durchgeführt. Als neuer Kooperationspartner ist die Theologische Fakultät Paderborn beteiligt. „Das enge Miteinander ist auch ein Zeichen der gegenseitigen Wertschätzung“, so Dr. Ulrich Polenz, der als Leiter der KVWL-Bezirksstelle Paderborn und bewährtes Mitglied der Planungsgruppe die Podiumsdiskussion moderierte.
Resilienz als Schutzfaktor
Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz stellte in seiner Begrüßung zunächst fest, dass die Planungsgruppe mit der Wahl des Themas „Resilienz“ für den nunmehr seit vierzig Jahren durchgeführten Ärztetag ein überaus wichtiges Handlungsfeld lokalisiert habe. „Es mag wie ein Widerspruch in sich klingen, dass gerade Sie als Ärztinnen und Ärzte, die Profis in Sachen Gesundheit, laut aktueller Studien zu den am stärksten belasteten und damit vulnerablen Berufsgruppen in unserer Gesellschaft gehören. Sie stehen vor fachlichen, psycho-physischen, sozialen und natürlich auch organisatorischen Herausforderungen und müssen diese kompetent bewältigen. Nicht alles an Problemen geht dabei spurlos an Ihnen vorüber“, sagte der Paderborner Erzbischof in seinem Grußwort.
Resilienz sei ein Schutzfaktor, der sich tatsächlich entwickeln lasse, der erlernt und gefördert werden könne. „Das Wort vom „lebenslangen Lernen“ bekommt hier ein ganz eigenes Gewicht“, so Erzbischof Dr. Bentz. „Diese Erkenntnis allein dürfte schon wichtig genug sein, um die Widrigkeiten des Lebens nicht einfach nur als Schicksal aufzufassen, dem wir hilflos ausgesetzt sind. Es gibt also die Möglichkeit heilsamer Lernerfahrungen.“ Damit schlug der Paderborner Erzbischof den Bogen zu den folgenden Vorträgen, in denen verschiedene Perspektiven und Lösungsansätze vermittelt wurden.
Gesundheitsentstehung als Leitbegriff
Professor Dr. theol. Christoph Jacobs, Lehrstuhlinhaber für Pastoralpsychologie und Pastoralsoziologie, widmete sich dem Thema „Salutogenese – damit das Leben gelingen kann“. Er warb für eine „salutogenetische Lebenskultur“ und sprach über den Zusammenhang von Heil und Gesundheit. Die Salutogenese, also Gesundheitsentstehung, sei mannigfaltig und verdiene es, Leitbegriff für eigenes Handeln zu sein. „Religion hat die Salutogenese erfunden“, erklärte Jacobs und betonte „das heilsame Potenzial der Religion“, oder, wie es Studien belegten: „Praktizierende, nicht fanatische Gläubige, sind gesünder als andere Gruppen.“ Die Folien zum Vortrag finden Sie hier.
Bürokratie und Zeitdruck als Grund für Burnout
„Die Gesundheit von Ärztinnen und Ärzten – ein Tabuthema!?“ war der Titel des Vortrags von Professor Dr. med. Dieter F. Braus, Klinikdirektor der Vitos-Kliniken Eichberg und Rheingau. Er sprach die gravierenden Schwachstellen des deutschen Gesundheitssystems an, die ein ideales Agieren in den Kliniken erschwerten: „Der zunehmende wirtschaftliche Druck hat Auswirkungen auf die in medizinischen Berufen Tätigen.“ Ein junges Fokusthema sei Burnout im Arztberuf. Bürokratie und Zeitdruck seien dafür hauptverantwortlich. Braus pointierte seine Beobachtung aus der Klinikpraxis: „Datenschutz und Brandschutz sind in unserem Land wichtiger als Mitarbeiterschutz und Patientenschutz.“ Sein Fazit: „Die Medizin muss wieder menschlicher werden und weniger wirtschaftsgetrieben.“
Führungskräfte als Verantwortungstragende
Professor Dr. rer. nat. Thomas Rigotti von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – Leibniz-Institut für Resilienzforschung – hatte seinen Impulsvortrag mit dem Titel „Resilienz – was die psychische Widerstandsfähigkeit stärkt“ überschrieben. Er machte deutlich, dass Resilienz nicht Bestandteil des Konzeptes der Selbstoptimierung sei, wie es in der aktuellen Diskussion oft den Anschein erwecke. Resilienzförderung gelinge etwa durch eine verbesserte Arbeitsorganisation. „Jede Unterbrechung der Arbeit führt zu Stress. Und das Definieren von unerreichbaren Zielen ist ebenso kritisch zu beurteilen“, sagte Rigotti. Gerade in Zeiten der umfassenden Digitalisierung müsse die Erholung genügend Raum erhalten. Einen Appell richtete der Wissenschaftler an das Auditorium: „Führungskräfte haben ihren Mitarbeitenden aber auch sich selbst gegenüber eine hohe Gesundheitsverantwortung.“
Klavierkonzert als kultureller Bonus
In dem von Dr. Ulrich Polenz moderierten Podiumsgespräch der Impulsgebenden mit den Teilnehmenden wurden noch einmal die wesentlichen Argumente aufgegriffen. Die Diskussion setzte sich in anschließenden Gesprächen fort, was den Netzwerkcharakter der Veranstaltung unterstrich.
Abgerundet wurde der Ärztetag mit einer kulturellen Zugabe von Aeham Ahmad. Der als „Pianisten aus den Trümmern von Damaskus“ bekannte Künstler bot ein Klavierkonzert mit dem Titel „Musik für Hoffnung und Frieden“ dar.
Text: Erzbistum Paderborn