Theologie und Glaube Ausgabe 2/2024

Theologie und Glaube

Jahrgang 114
Ausgabe 2/2024

Thema: Geistliche Gemeinschaften

hg. von Rüdiger Althaus

Das aktuelle Themenheft von „Theologie und Glaube“ beschäftigt sich mit Geistlichen Gemeinschaften, ihren Leitungsstrukturen, Gründerfiguren, Weisungsbefugnissen und vor allem ihren Herausforderungen im Hinblick auf Machtausübung und verschiedene Formen von Missbrauch.

Rüdiger Althaus stellt im Ausblick auf die Themen des Heftes folgende Fragen: „Wie kann Leitung als eine geistliche ausgeprägt sein, wie bestimmt sich das Verhältnis einer gerade auch Geistlichen Gemeinschaft zur kirchlichen Autorität? Wo lauern Gefahren in Bezug auf eine geistliche Bevormundung oder gar einen Missbrauch, und wie kann diesen vorgebeugt werden? – Zu all diesen unterschiedlichen Fragen und Aspekten möchten die Beitragenden dieses Heftes Impulse und Diskussionsbeiträge geben.“

 

S. 105–111

Der vorliegende Beitrag versteht sich als eine Reflexion der aktuellen Entwicklungen in Geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen, die deren Potenziale, aber auch deren Gefährdungen zusammenfassend ins Wort bringt. Er hebt hervor, dass eine kluge Unterscheidung der Geister notwendig ist, um Neuaufbrüchen und Schwierigkeiten im kirchlichen Leben zu begegnen.

The article reflects on the current developments in spiritual communities and movements and summarises their potentials but also their dangers. It emphasizes that a wise discernment of spirits is necessary in order to face new beginnings and difficulties in church life. 

S. 112–123

Das Aufkommen hunderter Geistlicher Gemeinschaften nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist bis heute ein andauerndes weltkirchliches Phänomen. Daher stellt sich zunehmend die Frage nach der kirchlichen Verortung und der Sendung dieser Gruppierungen. Vor dem Hintergrund einer trinitarischen Ekklesiologie lässt sich die spezifische Sozialstruktur der Geistlichen Gemeinschaften als plurivokationales Charisma verstehen. Dieses ist innerhalb des kirchlichen Erneuerungsprozesses wirksam, indem es die communiale Identität der Kirche stärkt und ihre Selbstverwirklichung fördert. 

The emergence of hundreds of spiritual communities after Vatican Council II is an ongoing phenomenon in the universal church to this day. Therefore, the question of the ecclesial location and mission of these groupings is increasingly raised. Against the background of a Trinitarian ecclesiology, the specific social structure of the spiritual communities can be understood as a plurivocational charism. This is effective within the ecclesial renewal process by strengthening the communial identity of the church and promoting its self-realization. 

S. 124–135

Wer einem (einer) Gründer(in) nachfolgt, spürt „die großen Schuhe“. In diesem Artikel werden die Chancen und Herausforderungen des ersten Leitungswechsels in Geistlichen Gemeinschaften aus unterschiedlichen Zweigen der Psychologie und Psychotherapie beleuchtet. Zentral ist die Unterscheidung zwischen Gründungsperson und Charisma. Der Generationenwechsel in der Funktion hat systemische Aufgaben für Gründer(in), Nachfolger(in) und auch die Mitglieder. Selbst die Statuten-Entwicklung ist unter psychologischer Perspektive eine Chance der Relecture des Charismas in kreativer Treue. Die Organisationspsychologie beschreibt interessante Phasen von Teamprozessen, während individualpsychologische Ansätze von Jung und Loevinger den Umgang mit unbewussten Anteilen und Stufen der persönlichen Reife thematisieren. 

S U M M A R Y 

Anyone who succeeds a founder is confronted with stepping into „the big shoes“. The article examines opportunities and challenges of the first change of leadership in spiritual communities from various branches of psychology and psychotherapy with a special focus on the distinction between the founder and charisma. The generational change in the function has systemic tasks for founders, successors and also the members. From a psychological perspective, even the development of statutes is an opportunity to reflect on the charism. Organizational psychology describes interesting phases of team processes, while individual psychological approaches by Jung and Loevinger focus on dealing with unconscious parts and stages of personal maturity.

S. 136–150

Beschrieben werden sechs Bereiche, in denen Leitung – je nach Komplexität der Bewegung – gefordert sein kann. Neben den Handlungsbereichen werden Querschnittsaufgaben der Leitung benannt, die mit der Verortung in der Nachfolge einer Gründerpersönlichkeit, als kirchliche Gruppierung und geistliche Gemeinschaft gegeben sind. Aus dem Zusammenspiel aus Bereichen und Querschnittsaufgaben entsteht eine Matrix, die eine Geistliche Bewegung nutzen kann, um ihr Profil und ihre spezifischen Leitungsbedarfe zu definieren. 

This article illustrates six sections requiring leadership – depending on the complexity of the church movement. Cross-sectional tasks of leadership are introduced and explained: responsibility as successors of a founding person, specific church leadership challenges and spiritual leadership. The interplay of sections and cross-sectional tasks creates a matrix that a spiritual movement can use to define its profile and its specific leadership needs. 

S. 151–163

Aufgrund der anwachsenden Zahl der Geistlichen Gemeinschaften nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden zahlreiche Bestimmungen und Normen erlassen, anhand derer eine Kriteriologie für ihre Beurteilung erstellt wird. Sie soll der zuständigen kirchlichen Autorität sowie den Geistlichen Gemeinschaften einerseits als Anleitung für die Zulassung eines kirchlichen Vereins (bischöflichen oder päpstlichen Rechts) in einem (Erz-)Bistum und andererseits für eine erste Erstellung und Anerkennung ihrer Statuten als privater Verein von Gläubigen bischöflichen Rechts dienen. 

Due to the growing number of Spiritual Communities after the Second Vatican Council, numerous regulations and norms have been issued. The article develops a criteriology for their assessment on the basis of these regulations. It is intended to serve the competent ecclesiastical authority and the Spiritual Communities as a guide for the approval of an ecclesiastical association (of episcopal or pontifical right) in an (arch-)diocese and for the drafting and examination of their statutes as a private association of believers under episcopal law. 

S. 164–178

Geistliche Gemeinschaften als Neuaufbrüche in der Kirche lassen sich von der kirchlichen Rechtsordnung mitunter schwer fassen. Doch müssen auch sie die grundlegenden persönlichen Rechte der Gläubigen wahren, um keinen Missbrauch zu ermöglichen. Mitunter jedoch bleibt unklar, welche Aufsichtsrechte und auch -pflichten einem Diözesanbischof zukommen, berufen die Gemeinschaften doch nicht selten auf eine ihnen zukommende Unabhängigkeit von diesen. Dem Vereins- und dem Ordensrecht lassen sich manche Antworten entnehmen. 

Spiritual communities as new departures in the Church are sometimes difficult to grasp in the ecclesiastical legal system. However, they too must respect the fundamental personal rights of the faithful so as not to allow abuse. Sometimes, however, it remains unclear which supervisory rights and duties are due to a diocesan bishop, as the communities often claim to be independent of him. Some answers can be found in the law on associations and religious. 

S. 179–189

Veröffentlichungen der letzten Jahre zeigen: Geistliche Gemeinschaften sind für spirituellen Missbrauch besonders anfällig. Im Buch „Selbstverlust und Gottentfremdung“ schreiben Betroffene von ihren Erfahrungen. Der vertiefte Blick in den Bericht einer Betroffenen lässt die typischen Muster erkennen und lädt zum Lernen ein. 

Publications in recent years show: Spiritual communities are particularly susceptible to spiritual abuse. In the book „Selbstverlust und Gottentfremdung“ (Loss of Self and Alienation from God), victims write about their experiences. The in-depth look into the report of a victim allows us to recognize the typical patterns and invites us to learn. 

S. 190–208

Angesichts geistlichen und sexuellen Missbrauchs verdienen die Ausübung geistlicher Autorität und die Führungsverantwortung in Geistlichen Gemeinschaften besondere Aufmerksamkeit. Der vorliegende Beitrag thematisiert (1) die Problematik der Situation, (2) die Handlungsaufträge durch den Vatikan zur Erneuerung der Leitungspraxis, (3) die Herausforderung eines Kulturwandels in der Ausübung geistlicher Autorität, (4) die systemischen Dynamiken von Verletzungsmacht und Vereinnahmung durch toxische Strukturen sowie (5) die Gefährlichkeit toxischer Führungspersönlichkeiten. Herausgearbeitet wird als Lösungsansatz die Notwendigkeit einer kompetenten Selbststeuerung und Systemsteuerung als zentrale Führungskompetenzen. Gefordert werden zusammenfassend a) Engagement für die Betroffenen und b) praktische Konsequenzen zur Entwicklung einer gereiften Leidenschaft im Führungsverhalten. 

In response to spiritual and sexual abuse, the practice of spiritual authority and leadership responsibility in spiritual communities deserve special attention. This article addresses (1) the problematic nature of the situation, (2) the Vatican’s mandate for action to renew leadership practice, (3) the challenge of changing the culture in the practice of spiritual authority, (4) the systemic dynamics of violating power and exploitation by toxic structures and (5) the danger of toxic leadership characters. As a solution approach, the necessity of competent self-regulation and system-regulation as central management competencies is identified. In summary, the paper calls for a) commitment to the victims and b) practical consequences for developing a mature passion in leadership behaviour.

S. 209–214

Bekannt aus der katholischen Sexualethik sind meistens die Verbote. Der Synodale Weg der deutschen katholischen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken wollte das in Richtung auf eine positive und wertschätzende Beziehungsethik hin ändern, auch bezüglich vermuteter Zusammenhänge zwischen einer rigiden Sexualmoral und sexuellem Missbrauch. Im Blick auf die Forderung nach Anerkennung und Segnung homosexueller Partnerschaften soll die im Titel gestellte Frage erörtert werden. 

Catholic sexual ethics are mostly known for their prohibitions. The Synodal Path of the German Catholic Bishops’ Conference and the Central Committee of German Catholics wanted to change this in the direction of a positive and appreciative relationship ethics, also with regard to suspected connections between a rigid sexual morality and sexual abuse. The question posed in the title of the article is discussed with a view to the demand for recognition and blessing of homosexual partnerships. 

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