Theologie und Glaube Ausgabe 3/2023

Theologie und Glaube

Jahrgang 113
Ausgabe 3/2023

Mit Beiträgen von Franz-Josef Bormann, Bernhard Nitsche, Christoph Jacobs, Tobias Pollitt, Arndt Büssing, Marius Menke und Peter Schallenberg

 

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser!
Das dritte Heft des 113. Jahrgangs schaut auf den Menschen aus theologischer Sicht: Auf moralische Herausforderungen, die die Alltagswelt des Menschen betreffen, auf demokratische Prozesse, seelsorgliche Tätigkeiten und die Umsetzung christlicher Grundsätze in der Glaubensausübung.

Auf verschiedene Herausforderungen im Umgang mit unterschiedlichen Geschlechteridentitäten geht Franz-Josef Bormann in seinem moraltheologischen Beitrag ein. Dabei zeigt er vor allem auf, warum sich das christliche Bild der Zweigeschlechtlichkeit trotz augenscheinlicher Gegensätze für den Einbezug von vielfältigen Geschlechtsidentitäten eignet. In einem Beitrag, der aufgrund seines Umfangs auf zwei Ausgaben von „Theologie und Glaube“ aufgeteilt erscheint, untersucht Bernhard Nitsche, wie Hartmut Rosas Resonanztheorie für das Verständnis der christlichen Sakramente fruchtbar gemacht werden kann. Im ersten Schritt geht Nitsche dabei auf Rosas Begriffe wie Resonanzachsen, Resonanzsphären und die Idee der moralischen Landkarten ein und erläutert den Bezug zu religiösen Handlungen, Ritualen, Symbolen und Transzendenz. Marius Menke widmet sich in seinem religionsphilosophischen Beitrag dem augustinischen Liberalismus und zeigt unterschiedliche Verständnisformen dieses Konzepts auf. Im Hinblick auf die Bewertung von Macht und politischer Gewalt versucht er so, Augustinus’ Anthropologie auf heutige Systeme demokratischer Mitbestimmung anzuwenden. Schließlich würdigt Peter Schallenberg in seinem Kurzbeitrag den verstorbenen ehemaligen Papst Benedikt XVI. Anhand ausgewählter Publikationen und Reden zeichnet er Joseph Ratzingers Verständnis vom moralischen Handeln des Menschen nach und bringt seine zentralen Ansätze in Bezug auf die christliche Moral auf den Punkt.

Wir hoffen, dass das Heft einige theologische Anregungen für die Praxis der Glaubensvermittlung geben kann.

 

Svenja Schumacher
Redaktion

 

Der ganzheitliche Ansatz des christlichen Menschenbildes und die Debatte um die Inter- und Transgeschlechtlichkeit

DE: Gegenüber Tendenzen zur Inflationierung der Geschlechter zeigt der Beitrag, dass das für das christliche Menschenbild konstitutive Konzept der Zweigeschlechtlichkeit mit der Annahme einer geschlechtlichen Vielfalt im Sinne einer Variationsbreite individueller Ausprägungen männlicher und weiblicher Eigenschaften kompatibel ist. Auch die meisten praktischen Herausforderungen im Umgang mit inter- und transgeschlechtlichen Personen lassen sich innerhalb des binären Geschlechtsmodells einer überzeugenden Lösung zuführen.

EN: Contrary to trends towards gender inflation, this article shows that the dual gender concept, which is constitutive for Christian anthropology, is compatible with the assumption of gender diversity in the sense of a range of variation in the individual expression of male and female characteristics. Most of the practical challenges in dealing with intersex and transgender people can be convincingly resolved within the binary gender model.

Sakrament und Resonanz – Teil 1: Hartmut Rosas Resonanztheorie als Indikator für ein lebendiges Sakramentenverständnis

DE: Der Beitrag stellt in Teil 1 „Hartmut Rosas Resonanztheorie als Indikator für ein lebendiges Sakramentenverständnis“ vor, indem zunächst zentrale Aspekte der Leitfigur Resonanz und ihrer Soziologie der Weltbeziehung dargelegt werden. Sakramententheologie wird als kognitive Landkarte der rituell-symbolischen Vollzüge erschlossen. Teil 2, „Der sakramentale Vollzug als Resonanzerfahrung“, nimmt unterschiedliche Hinweise zum katholischen Verständnis des Sakraments auf, um wechselseitige Verfugungen zwischen Resonanztheorie und sakramentalem Vollzug als Leben aus eschatologischer Verheißung und Vorgeschmack erfüllenden Lebens im Gestus der Feier auszuloten.

EN: In part 1, the article presents Hartmut Rosa’s theory of resonance as an indicator for a living understanding of sacrament by first outlining central aspects of the guiding figure resonance and its sociology of world-relations.
Sacramental theology is developed as a cognitive map of the ritual-symbolic performances. Part 2, “The Sacramental Execution as Resonance Experience”, takes up different references to the Catholic understanding of the sacrament in order to sound out mutual connections between resonance theory and sacramental execution as life out of eschatological promise and foretaste of fulfilling life in the gesture of celebration.

Vom Überleben zum Leben – Ressourcen zur Förderung des Pastoralen Personals der Zukunft.

DE: Die christlichen Kirchen befinden sich in krisenhaften Transformationsprozessen mit bedeutsamen Konsequenzen für das gegenwärtige und zukünftige Pastorale Personal. Der Beitrag präsentiert nachfolgend zur Deutschen Seelsorgestudie 2012–2014 ein sozial- und gesundheitswissenschaftliches Ressourcenmodell sowie eine aktuelle repräsentative Studie an der nachwachsenden bzw. studierenden Generation der Seelsorgenden in Deutschland. Als Ertrag werden Schwerpunkte für die Ausbildung und Selbstentwicklung formuliert.

EN: The Christian churches are in critical transformation processes with significant consequences for the present and future pastoral staff. Subsequently to the German Pastoral Ministry Study 2012–2014, the article presents a social and health science resource model and a new representative study of the upcoming or studying generation of pastoral workers in Germany. As a result, focal points for formation and self-development are formulated.

Pessimistische Anthropologie oder optimistische Moralpsychologie? – Der augustinische Liberalismus als Beitrag zu einer Ethik der demokratischen Staatsbürgerschaft

DE: Der vorliegende Beitrag formuliert die These, dass die augustinische caritas – als Grundbegriff einer optimistischen Moralpsychologie – das theologische, anthropologische und ethische Grundprinzip politischer Handlungen ist. Darüber hinaus muss dieser individualethische Aspekt erfahrener Gottesliebe einen konkreten, sozialethischen Ausdruck im Aufbau einer gerechten und friedlichen Staatsordnung finden. Der augustinische Liberalismus plädiert für eine Tugendpflicht der christlichen Staatsbürger, sich aktiv an politischen Prozessen zu beteiligen.

EN: This paper proposes the thesis that Augustinian caritas, as a concept of an optimistic moral psychology, is the fundamental theological, anthropological and ethical principle of political action. Furthermore, this individual-ethical aspect of experienced love of God must find a socio-ethical expression in the construction of a just and peaceful constitutional order. Augustinian liberalism opts for a duty of virtue on the part of Christian citizens to actively participate in political processes.

Der gute Gott und die Geschichte des Menschen – Zum moraltheologischen Erbe Benedikt XVI.

DE: Der Beitrag würdigt das moraltheologische Erbe Joseph Ratzingers/Benedikt XVI. und erschließt dessen besondere Signatur entlang ausgewählter Veröffentlichungen. Im Fokus steht dabei der Gedanke vom wesenhaften Zusammenhang von Kult und Liturgie, von Dogmatik und Ethik, der das theologische Gesamtwerk des verstorbenen Papstes wie ein verborgener roter Faden durchzieht.

EN: The article honours the moral theological legacy of Joseph Ratzinger/Benedict XVI and explores its characteristic signature through selected publications. The text focusses on the idea of the essential connection between cult and liturgy, dogmatics and ethics, which runs through the theological work of the late Pope like a hidden thread.

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